Der Kaschmir-Konflikt – einer der ältesten ungelösten Konflikte

Vortrag von Professor Dr. Martin Sökefeld (LMU)

Termin: Donnerstag, 28. März 2019, 19.00 Uhr

Ort: Internationales Begegnungszentrum der Wissenschaft (IBZ), Amalienstr. 38, 80799 München (U-Bhf. Universität, Linien U3/U6)

Der Suizidanschlag vom 14. Februar, der 44 indische Polizisten tötete, hat die internationale Aufmerksamkeit wieder auf den vergessenen Konflikt um Jammu und Kaschmir gelenkt und gefährliche Spannungen zwischen Pakistan und Indien an der Demarkationslinie ausgelöst. Er ist einer der ältesten ungelösten internationalen Konflikte. Sein Ausbruch fällt in die Zeit des Rückzugs Großbritanniens vom indischen Subkontinent. Als Reaktion auf eskalierende innere Auseinandersetzungen rückten im Oktober 1947 von Pakistan unterstützte Freischärler nach Jammu und Kaschmir ein, dessen Bevölkerungsmehrheit muslimisch ist. Der regierende Maharadscha, ein Hindu, bat daraufhin Indien um militärische Unterstützung und entschied sich für den Anschluss des Fürstenstaats an Indien. Die vom VN-Sicherheitsrat empfohlene Volksabstimmung wurde nie durchgeführt. Bis heute ist Jammu und Kaschmir geteilt.

Beobachter der United Nations Military Observer Group in India and Pakistan (UNMOGIP) an der “Line of Control”. Foto: UN Photo/Evan Schneider

Seit an die 70 Jahren ist die United Nations Military Observer Group in India and Pakistan (UNMOGIP) tätig, inzwischen die zweitälteste Friedensmission der Vereinten Nationen. Der Konflikt um Jammu und Kaschmir löste mehrere Kriege zwischen Indien und Pakistan aus. Auch kommt es immer wieder zu Aktionen von Freischärlern bzw. Terrorgruppen.

In seinem Vortrag erläuterte Professor Sökefeld, Ordinarius für Ethnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, dass es schon vor 1947 massive Spannungen innerhalb des Fürstenstaats Jammu & Kaschmir gegeben habe. Zum einen hätten Angehörige aller Glaubensrichtungen gegen die feudale und autoritäre Herrschaft des Maharadschas aufbegehrt, zum anderen habe die diskriminierte muslimische Mehrheit nach Teilhabe an Regierung, Verwaltung und Bildungswesen gestrebt. Zur internen Dimension des Konflikts komme die externe Dimension hinzu: Sowohl Indien wie Pakistan hätten 1947 Anspruch auf dieses Gebiet erhoben, wobei zu bedenken sei, dass damals viele Einwohner nach einem unabhängigen Kaschmir gestrebt hätten. Auch heute gäbe es eine – gerade von der Diaspora stark unterstützte – kaschmirische Unabhängigkeitsbewegung. Mit der umstrittenen Übernahme von Gebietsteilen durch China in den 1960er Jahren (Aksai-Chin, Shaksgam-Tal) sei die externe Dimension des Konflikts noch komplizierter geworden.

Den Kaschmir-Konflikt analysierte Professor Dr. Martin Sökefeld. Foto: Guido Theil.

Pakistan beharre auf dem VN-Plan einer Volksabstimmung, während Indien den Konflikt seit dem Shimla-Abkommen mit Pakistan (1972) nur noch als eine bilaterale Angelegenheit zwischen beiden Staaten betrachte und den Vereinten Nationen keine Rolle mehr zugestehe. Problematisch sei die Lage insbesondere im indisch verwalteten Teil, da es dort im Kaschmir-Tal immer wieder zu gewalttätigen Protesten und auch Terroranschlägen komme. Im Gegenzug würden die indische Armee und Polizei mit massiven, von Menschenrechtsorganisationen stark kritisierten Repressalien reagieren.

Eine Konfliktlösung in absehbarer Zeit hält der Referent nicht für wahrscheinlich, da alle Seiten kaum Konzessionsbereitschaft zeigten und Politiker aus innenpolitischen Erwägungen bei diesem Thema Stärke demonstrieren wollten. An den Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion mit den vorwiegend studentischen Zuhörern an.  

Professor Dr. Martin Sökefeld hat Ethnologie, Philosophie und Romanistik an der Universität Köln studiert, wurde an der Universität Tübingen promoviert und an der Universität Hamburg habilitiert. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Politik, „Natur“-Katastrophen, Identitätstheorie, Migration, Diaspora und Transnationalismus sowie der Islam. Sein regionaler Schwerpunkt ist Südasien, besonders Pakistan und Kaschmir.